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Etwas zu wollen, ist das Natürlichste der Welt. (Es gibt eine auf eine makabre Weise lustige Krankheit, aufgrund der Menschen wirklich nichts mehr wollen - und es sie aber gar nicht stört). Jedoch gibt es hier zunächst die überraschende Erkenntnis, dass unser "Wille" weitaus seltener aktiv wird, als wir annehmen. Zu viele Prozesse laufen automatisch ab, bedingt teilweise durch skurrile Kleinigkeiten. So hat John Bargh von der Uni Yale in einem Experiment gezeigt, dass Studenten, wenn sie altersbezogene Worte wie "Falten, grau, müde, krank" lasen, im Anschluss darauf langsamer gingen als eine Vergleichsgruppe. Sie machten sich damit die eben gelesenen Attribute zu eigen, ohne sich dessen auch nur im Geringsten bewusst zu werden. Menschen, auf die von einem Plakat (!) ein paar Augen hinabschauten, benahmen sich unbewusst ehrlicher als sonst, wurde in einem anderen Versuch festgestellt. Personen, die sich in einen Professor hineinversetzt hatten, schnitten bei Trivial Pursuit besser ab als die, die einen Fußball-Hooligan vor den Augen hatten. Und selbst die (idealerweise) freiste und wohlüberlegteste Entscheidung, die es geben kann - ein Richterspruch - hängt offenbar zu einem Großteil doch von ganz profanen Faktoren wie dem Hungergefühl ab. Wir haben uns selbst also schon ganz allgemein viel weniger unter Kontrolle, als wir glauben.
Aber wenn der Mensch mal dazu kommt, sich bewusst zu entscheiden, und die Entscheidung "frei" sein soll, setzt dies zunächst voraus, dass er bei der Entscheidungsfindung keinen von ihm empfundenen Zwängen unterliegt - darin sind sich alle einig. Wenn er will, kann er den rechten Finger heben – oder den linken. Ein Verbrechen begehen – oder gesetzestreu bleiben. Reicht das schon für die Annahme der Willensfreiheit? Oder soll die Entscheidung vielmehr frei von jeglichen Beschränkungen, ja Ursachen, aus einer Art autonomen, unabhängigen Black Box entspringen? Wohl nicht - denn das Universum unterliegt kausalen Prozessen. Und so hat die Neurophysiologie in den letzten Jahren eins völlig unbestritten gezeigt: dass alle Denkprozesse eine naturalistische Grundlage in Gehirnaktivitäten haben. Eine Entscheidung als elektrochemischer Vorgang im menschlichen Gehirn muss also ebenfalls streng kausal bedingt sein. Eine "Entscheidung", bei der das Gehirn kraft "freien Willens" die Gesetze der Physik verlässt und sich nicht-kausal und damit gleichsam zufällig entscheidet, würde alles andere sein als meine eigene. Es wäre eine Nicht-Entscheidung, ein aus dem Vakuum entspringender Prozess, dem ich erstaunt zuschauen würde. Eine Entscheidung wird erst dann "frei", wenn sie durch mich (durch meine bisherigen Erlebnisse, Charaktereigenschaften, gegenwärtige Stimmung etc.) bedingt ist. Voraussetzung der so verstandenen Freiheit (besser: Selbstbestimmtheit) ist damit ironischerweise Determination.
Eckart von Hirschhausen hat es treffend ausgedrückt - das Bewusstsein ist nicht die Regierung, es ist eher der Regierungssprecher, der die bereits getroffenen Entscheidungen in schöne Worte kleiden und nach außen vertreten muss. Das macht auch aus der evolutionstheoretischen Sicht Sinn: Die Annahme eines Bewusstseins, das das Unbewusste vollständig unter Kontrolle hat, ist nicht plausibel. Denn der Bereich des Gehirns, der für das Bewusstsein verantwortlich ist (Großhirnrinde oder Cortex), ist um Hunderte von Jahrmillionen später entstanden als das ursprüngliche, unbewusst instinktgetriebene „Reptiliengehirn“. Dass der „Neuling“ gleich die Kontrolle über den ganzen „Laden“ übernimmt, wäre – wie auch im realen Leben – wenig wahrscheinlich. Zudem sind mit der Zeit immer mehr geistige Phänomene, die früher als unerklärbar oder sogar Ausdruck des Spiels böser Mächte galten - etwa Epilepsie - auf eine naturalistische Grundlage gestellt und "entzaubert" worden. Ist aber eine unheimliche äußere Macht keine Ursache für neurologische Prozesse mehr - wie kann es dann eine unheimliche innere Macht sein, die die Naturgesetze in den Nervenverschaltungen überwindet?
Und nun? Sind wir also alle Roboter, Puppen und Bio-Mechanismen? Zu einem gewissen Grad schon, denn unsere Entscheidungen sind determiniert – auch wenn wir aufgrund der irrsinnigen Komplexität des menschlichen Gehirns sie nie mit Sicherheit werden vorhersagen können. Das macht aber nichts - wir haben (im Gegenstz zu echten Robotern) einen Willen, den wir subjektiv - völlig zu Recht - als frei bezeichnen würden. Wir haben Gründe, die uns zu Handlungen bewegen. Lässt man jedoch einen Menschen eine Entscheidung treffen und spult man dann die Zeit 100 Mal zurück, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass er 100 Mal sich genau gleich entscheiden wird - im vollen Bewusstsein, frei zu handeln. Das ist der verwirrende, aber miteinander trotzdem zu vereinbarende Widerspruch zwischen der Erste- und der Dritte-Person-Perspektive. Um den großen Schopenhauer leicht abzuwandeln: Wir können zwar tun, was wir wollen, aber wir können nur das wollen, das wir in diesem Moment zwingend wollen müssen.
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Entschieden? Und wenn ja – aus freien Stücken?
Wer über eigene Gedanken nachdenken und über eigene Entscheidungen entscheiden will, kommt schnell in Schwierigkeiten. So ist auch die alte Frage nach dem "freien Willen" des Menschen viel diskutiert, aber bis heute nicht letztverbindlich gelöst worden. Der freie Wille des Menschen wurde in der westlichen Theologie und Philosophie seit St. Augustin zur Erklärung dafür bemüht, warum Gott trotz seiner angeblichen Güte und Allwissenheit den Sündenfall mit all seinen Konsequenzen hat geschehen lassen; er galt auch als ein wesentlicher Unterschied zwischen dem „göttlich beseelten“ Menschen und den „einfältigen“, instinktgetriebenen Tieren. Die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung bringen etwas mehr Licht in die Debatte und können den Streit aus bloß theoretisch-abstrakten Erörterungen der letzen Jahrhunderte ein wenig auf den Boden der Tatsachen bringen.
Etwas zu wollen, ist das Natürlichste der Welt. (Es gibt eine auf eine makabre Weise lustige Krankheit, aufgrund der Menschen wirklich nichts mehr wollen - und es sie aber gar nicht stört). Jedoch gibt es hier zunächst die überraschende Erkenntnis, dass unser "Wille" weitaus seltener aktiv wird, als wir annehmen. Zu viele Prozesse laufen automatisch ab, bedingt teilweise durch skurrile Kleinigkeiten. So hat John Bargh von der Uni Yale in einem Experiment gezeigt, dass Studenten, wenn sie altersbezogene Worte wie "Falten, grau, müde, krank" lasen, im Anschluss darauf langsamer gingen als eine Vergleichsgruppe. Sie machten sich damit die eben gelesenen Attribute zu eigen, ohne sich dessen auch nur im Geringsten bewusst zu werden. Menschen, auf die von einem Plakat (!) ein paar Augen hinabschauten, benahmen sich unbewusst ehrlicher als sonst, wurde in einem anderen Versuch festgestellt. Personen, die sich in einen Professor hineinversetzt hatten, schnitten bei Trivial Pursuit besser ab als die, die einen Fußball-Hooligan vor den Augen hatten. Und selbst die (idealerweise) freiste und wohlüberlegteste Entscheidung, die es geben kann - ein Richterspruch - hängt offenbar zu einem Großteil doch von ganz profanen Faktoren wie dem Hungergefühl ab. Wir haben uns selbst also schon ganz allgemein viel weniger unter Kontrolle, als wir glauben.
Aber wenn der Mensch mal dazu kommt, sich bewusst zu entscheiden, und die Entscheidung "frei" sein soll, setzt dies zunächst voraus, dass er bei der Entscheidungsfindung keinen von ihm empfundenen Zwängen unterliegt - darin sind sich alle einig. Wenn er will, kann er den rechten Finger heben – oder den linken. Ein Verbrechen begehen – oder gesetzestreu bleiben. Reicht das schon für die Annahme der Willensfreiheit? Oder soll die Entscheidung vielmehr frei von jeglichen Beschränkungen, ja Ursachen, aus einer Art autonomen, unabhängigen Black Box entspringen? Wohl nicht - denn das Universum unterliegt kausalen Prozessen. Und so hat die Neurophysiologie in den letzten Jahren eins völlig unbestritten gezeigt: dass alle Denkprozesse eine naturalistische Grundlage in Gehirnaktivitäten haben. Eine Entscheidung als elektrochemischer Vorgang im menschlichen Gehirn muss also ebenfalls streng kausal bedingt sein. Eine "Entscheidung", bei der das Gehirn kraft "freien Willens" die Gesetze der Physik verlässt und sich nicht-kausal und damit gleichsam zufällig entscheidet, würde alles andere sein als meine eigene. Es wäre eine Nicht-Entscheidung, ein aus dem Vakuum entspringender Prozess, dem ich erstaunt zuschauen würde. Eine Entscheidung wird erst dann "frei", wenn sie durch mich (durch meine bisherigen Erlebnisse, Charaktereigenschaften, gegenwärtige Stimmung etc.) bedingt ist. Voraussetzung der so verstandenen Freiheit (besser: Selbstbestimmtheit) ist damit ironischerweise Determination.
Eckart von Hirschhausen hat es treffend ausgedrückt - das Bewusstsein ist nicht die Regierung, es ist eher der Regierungssprecher, der die bereits getroffenen Entscheidungen in schöne Worte kleiden und nach außen vertreten muss. Das macht auch aus der evolutionstheoretischen Sicht Sinn: Die Annahme eines Bewusstseins, das das Unbewusste vollständig unter Kontrolle hat, ist nicht plausibel. Denn der Bereich des Gehirns, der für das Bewusstsein verantwortlich ist (Großhirnrinde oder Cortex), ist um Hunderte von Jahrmillionen später entstanden als das ursprüngliche, unbewusst instinktgetriebene „Reptiliengehirn“. Dass der „Neuling“ gleich die Kontrolle über den ganzen „Laden“ übernimmt, wäre – wie auch im realen Leben – wenig wahrscheinlich. Zudem sind mit der Zeit immer mehr geistige Phänomene, die früher als unerklärbar oder sogar Ausdruck des Spiels böser Mächte galten - etwa Epilepsie - auf eine naturalistische Grundlage gestellt und "entzaubert" worden. Ist aber eine unheimliche äußere Macht keine Ursache für neurologische Prozesse mehr - wie kann es dann eine unheimliche innere Macht sein, die die Naturgesetze in den Nervenverschaltungen überwindet?
Und ja - es entstehen durch ein Zusammenspiel von vielen kleinen "dummen" Dingen oft neue, umfassendere, komplizierte Phänomene. Ein Wassermolekül ist nicht nass, aber Wasser schon. Eine Ameise hat nicht die Eigenschaften einer schlauen Ameisen-Kolonie. Man spricht hier von "Emergenz", von Dingen, die auf höherer Ebene entstehen. Die Willensfreiheit kann man aber nicht durch solch eine Emergenz begründen, denn die kleinsten Elemente bleiben auch beim Wasser und bei der Ameisenkolonie immer gleich. Ein neues, emergentes Phänomen kann niemals die kleinsten Bestandteile und ihr Wesen verändern. Eine als frei empfundene Entscheidung kann daher nicht von oben herab auf die Gehirnzellen "einwirken" und deren elektrochemische Funktionsweise plötzlich in "Freiheit" umbauen.
Und nun? Sind wir also alle Roboter, Puppen und Bio-Mechanismen? Zu einem gewissen Grad schon, denn unsere Entscheidungen sind determiniert – auch wenn wir aufgrund der irrsinnigen Komplexität des menschlichen Gehirns sie nie mit Sicherheit werden vorhersagen können. Das macht aber nichts - wir haben (im Gegenstz zu echten Robotern) einen Willen, den wir subjektiv - völlig zu Recht - als frei bezeichnen würden. Wir haben Gründe, die uns zu Handlungen bewegen. Lässt man jedoch einen Menschen eine Entscheidung treffen und spult man dann die Zeit 100 Mal zurück, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass er 100 Mal sich genau gleich entscheiden wird - im vollen Bewusstsein, frei zu handeln. Das ist der verwirrende, aber miteinander trotzdem zu vereinbarende Widerspruch zwischen der Erste- und der Dritte-Person-Perspektive. Um den großen Schopenhauer leicht abzuwandeln: Wir können zwar tun, was wir wollen, aber wir können nur das wollen, das wir in diesem Moment zwingend wollen müssen.
(Siehe hier zu den Auswirkungen des fehlenden Anders-Handeln-Könnens auf das Strafrecht)