Freitag, 21. Dezember 2007

Spinat und andere Bananen

Es war einmal ein unauffälliges Gemüse mit dem schönen Namen Spinat. Es war solange unauffällig, bis einem Forscher vor 100 Jahren bei der Messung seines Eisengehalts ein Kommafehler unterlief, was zum Mythos geführt hat, das leckere Grün sei eine Eisenbombe. Über Generationen hielt sich hartnäckig die Vorstellung, nach drei Löffeln Spinat könne man mit dem linken großen Zeh Bäume ausreißen. Dabei ist Spinat zumindest in dieser Hinsicht nicht gesünder als Schokolade. Erstaunlich, wie so eine Legende so lange - auch nach ihrer Entzauberung! - überlebt hat. Oder vielleicht doch nicht so erstaunlich? Ich erinnere mich da an die von hier entnommene folgende Geschichte über ein Experiment (dort leider nur auf Russisch, deshalb freie Übersetzung von mir). "Vier Affen sitzen in einem Käfig. Von der Käfig-Decke hängt - lecker, aber unerreichbar - ein Bündel Bananen. In der Ecke steht eine Leiter. Nach einer Weile kommen die Affen auf die Idee, dass man die Leiter unter die Bananen schieben und dieselbe hochsteigen könnte. Der Mutigste von ihnen wagt den ersten Versuch und klettert auf die Leiter in Richtung süße Frucht. Doch bevor er sie erreicht, wird er vom Versuchsleiter, der, von den Affen unbemerkt, auf der Lauer liegt, aus einem Schlauch mit einem eiskalten Wasserstrahl begossen, und nebenbei kriegen auch die anderen drei Affen was ab. Tumult, Geschrei. Als der Strahl aufhört und die Affen halbwegs zu sich kommen, fassen sie nach einer Weile Mut, und ein anderer versucht's noch einmal - mit demselben feucht-kalten "Erfolg" für ihn und alle. Danach gibt es einen affenübergreifenden Konsens - die Bananen sind tabu! Mittlerweile wird ein feuchter Affe aus dem Käfig genommen, und ein trockener, nichtsahnender hineingesetzt. Er ist baß erstaunt über die nicht angerührten leckeren Bananen und fängt an, die Leiter hochzuklettern, doch halt! - die anderen drei Leidgeprüften wollen eine weitere Dusche vermeiden und prügeln auf den Mutigen ein, damit er von seiner dummen Idee ablässt. Dieser versteht nur Bahnhof - seit wann darf man denn keine Bananen mehr essen? - doch er fügt sich. Anscheinend ist es hier so Brauch. Ein weiterer Affe der ersten Generation wird ausgewechselt. Als der zweite neue, trockene Affe nach den Bananen greift, wird er von den zwei verbliebenden nassen und auch dem ersten trockenen verprügelt, ohne dass der erste trockene überhaupt weiß, warum man prügeln muss. Naja, deduziert der zweite Neuankömmling messerscharf, hier ist es wohl Tradition, dass man jedem, der nach den Bananen greift, die Nase poliert. Nach zwei weiteren Auswechslungen befindet sich nunmehr gar kein Affe der ersten, feuchten Generation mehr im Käfig - und doch gehen die Handgreiflichkeiten an jedem Bananengrapscher weiter, obwohl sich der Versuchsleiter mit dem Schlauch längst verdrückt hat und die Affen mit einem Kaffee in der Hand von der Seite beobachtet. So entstehen Traditionen." 

Menschenaffen - und Menschen - scheinen so versessen darauf zu sein, gesellschaftliche Regeln zu befolgen, dass eine einmal einstudierte Verhaltensweise so lange auf "Autopilot" läuft, bis sie offensichtlich widerlegt wird. Leider passiert dies nicht nur bei Spinat oder Bananen, sondern bei viel wichtigeren Dingen. Auch unter Memen gibt es eine Evolution mit dem Überleben des Er folgreicheren - aber nicht immer des Richtigen. Deshalb ist das uralte Rezept für ein Heilmittel, der Glaube an eine religiöse Offenbarung, die althergebrachte Weisheit über das Entstehen der Welt etc. oft gar nichts wert - entweder waren sie von Anfang an kompletter Quatsch oder wurden mit der Zeit obsolet. War es früher vielleicht noch vertretbar, sich im Dreck wälzende bakterien- und trichinentriefende Schweine nicht zu essen, ist dieses Verbot aufgrund des fortgeschrittenen Verständnisses über die Ursprünge der Krankheiten und der besseren Zubereitungsmethoden vollkommen unnötig. War es damals wegen grassierender sexuell übertragbarer Krankheiten und primitiver Verhütungsmethoden vorteilhaft, dass eine Braut jungfräulich in die Ehe ging, gibt es heute eigentlich keinen Grund mehr, dies so zu sehen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass ein heutiger Schulabgänger durchschnittlich weit mehr über die Welt weiß als früher der klügste Denker, ist kritisches Hinterfragen überlieferten Wissens heute um so wichtiger geworden. Nicht umsonst lautet eins von den hier vorgeschlagenen neuen Zehn Geboten: "Question everything".

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Der Exorzist

Das hier links ist Mr. James Randi. Er arbeitete 30 Jahre lang als Zauberkünstler und Magier und kennt sich deshalb wunderbar mit den gängigen Methoden und Tricks aus, die es einem ermöglichen, Menschen zu betrügen, zu täuschen, hinters Licht zu führen und ihnen was vorzugaukeln. Berühmt geworden ist er, als er 1972 merkte, dass der angeblich übersinnlich begabte Israeli Uri Geller, der damals mit seinen "Fähigkeiten" beachtliche TV-Erfolge erzielte, mit denselben Tricks arbeitete wie er selbst. Er forderte ihn öffentlich heraus und warf ihm vor, gar keine paranormalen Talente zu besitzen. Das Ganze endete in einer Schadensersatzklage Gellers, insbesondere nachdem er in der "Tonight Show" nach einer durch Randi empfohlenen Abwandlung der geplanten "paranormalen" Demonstration vor einem Millionenpublikum kläglich scheiterte.

Dies gab Randi den Ansporn, es sich zur Lebensaufgabe zu machen, Scharlatane, Quacksalber und Betrüger zu entlarven, die vorgeben, übersinnliche Kräfte zu besitzen, und mit diesen Märchen gutes Geld verdienen. Mit Hilfe eines noch unbekannten Spenders errichtete er eine Stiftung, die James Randi Educational Foundation (JREF). Die Stiftung hat nur eine einzige Aufgabe - demjenigen sofort 1.000.000 $ auszuzahlen, der unter vorher gemeinsam abgesprochenen und kontrollierten Bedingungen eine paranormale Fähigkeit oder ein übersinnliches Phänomen demonstrieren kann. Das Geld ist da, jeder kann sich bewerben. Zusammen wird vorher vereinbart und jeweils vertraglich festgelegt, welches Ergebnis als "Erfolg" zu gelten hat.

Die Tatsache, dass sich die "1 Mio. Dollar Challenge" in entsprechenden Kreisen schon viel herumgesprochen hat, sich wöchentlich mehrere Leute bewerben (bisher insg. ca. 400), und trotzdem seit der Gründung im Jahre 1996 noch nicht ein einziger gewonnen hat, gibt einem kritischen Geist zu denken. Was haben sich da nicht für Figuren angemeldet: Aura-Seher, Wünschelrutengänger, Menschen, die mit Seelen von Toten reden, Gedanken lesen oder übertragen, oder auch eine Dame, die Menschen qua Geisteskraft angeblich dazu bringen kann, sich in die Hose zu pinkeln. Keiner hatte eine Chance. Dabei ist der Exorzist Randi gar nicht verschlossen oder unbarmherzig - die Regeln des Experiments bestimmen die Kandidaten mit ihm zusammen.

Auch kann man sich nicht mit "Ich brauche seine Million gar nicht, ich weiß, dass ich's kann" rausreden. Denn erstens kann man das Geld, wenn man es selbst nicht braucht, kranken Kindern oder hungernden Afrikanern spenden. Und zweitens wäre eine kontrollierte Demonstration solcher Phänomene ein derart archaischer Paradigmenwechsel in der modernen Wissenschaft, wie es ihn vielleicht seit Galilei, Bohr und Einstein nicht gegeben hat. Der Menschheit dieses Wissen und diesen Fortschritt zu verweigern, wäre egoistisch und amoralisch.

Es drängt sich aus diesem Erfahrungsschatz also ein Schluss auf - es gibt schlicht keine übersinnlichen Phänomene. Keine immateriellen Sphären, keine Geister, keine heilenden Schwingungen, keine Gedankenübertragung, keine Telekinese. Die Welt ist hoffnungslos mechanisch. Nur beispielsweise und stellvertretend für den ganzen Rest seien hier die folgenden "Wunder" als durchaus profaner Natur entlarvt:

- die Seele wiegt nicht, wie es mal behauptet wurde, 21 Gramm: Vielmehr ist für die gemessene Gewichtsreduktion von 21 Gramm kurz nach dem Tod eines Menschen der vorübergehende Anstieg der Körpertemperatur verantwortlich, der durch die fehlende Kühlung durch die Lungen daherkommt. Dieser verursacht wiederum ein leicht vermehrtes Schwitzen, durch das die 21 Gramm Flüssigkeit aus dem Körper verdunsten,
- für Uri Gellers "Paradeeffekt" des Löffelverbiegens gibt es mehrere seit Jahren bekannte "herkömmliche" Methoden - gezeigt zB hier, hier und hier,
- Menschen, die vorgeben, sich mit dem "Jenseits" zu unterhalten, benutzen ebenfalls durchaus weltliche Methoden. Zentral ist insbesondere das sog. "Cold Reading" - das Beschaffen von Informationen durch Trickfragen - oder sogar das unverschämte sog. "Hot Reading" - das Besorgen dieser Infos insgeheim vor der Vorführung etwa durch Verwicklung des Besuchers in Gespräche mit unerkannt auftretenden Komplizen oder durch Verwenden seiner Kreditkartendaten, mit denen er das Ticket bezahlt hatte,
- die levitierenden Fakire sind schlicht Trickbetrüger.


Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Jeder, der das Gegenteil behauptet, möge sich zum kontrollierten Test anmelden - oder, wie man bei einer anderen Gelegenheit sagt, "für immer schweigen". Brustvergrößerung durch Handauflegen klappt also doch nicht. Wie schade!